Der Faktor POP in meinem Leben ist immer wieder starken Schwankungen unterworfen. Vom Grunde meines Herzens her empfinde ich mich als bunten Paradiesvogel. Und dann ist in meinem Alltag aber auch der Faktor Mainstream permanent. Bloß nicht auffallen. Oder doch?
So ging es mir mit Leggins. Die mochte ich früher und eine Zeit lang sehr, sehr. Ich besaß eine von Cardin, beispielsweise. Grün, glitzernd, die zweite dünne Haut auf dem Bein schimmrig, das ganze Teil einer Krokodilhaut nachempfunden. Dazu unten große Sneakers und türkis-violettfarbene Socken. Oben Motorradjacke aus Leder, ich auf einer BMW Paris Dakar, schwarz/türkis. Manchmal hielten ein paar Jugendfühlende neben mir an der Ampel, drehten die Scheiben herunter und beömmelten sich lautstark: Alter, starkes Outfit. Jaja, sagte ich, ich weiß. Popstar sein ist auch anstrengend, zuweilen.
Längere Zeit besaß ich farbige Jeans der Fa. Diesel, in den Mittneunzigern. Eine war sanyassin Orange, sehr grell. Ein anderes Paar war hellblutrot. Hauptsache farbig. Ein paar Schuhe, die ich erworben hatte, waren glanzlack-hellgelb. Schuhgröße 46, ich lebte mein Leben auf großem Fuße.
Und der Mainstream. Der Mensch verortet sich immer mal eine Zeit lang an vorderster Front, in der ersten Reihe. Die Gebührenzahler unter den Fernsehenden wissen: Mit dem Zweiten sieht man besser. Wird so gesagt. Ich habe die Richtigkeit nie überprüft. – Du kannst allerdings nicht lebenslang in der ersten Reihe mitkämpfen und Dich an Straßenecken festkleben, nur um aufzufallen. Du musst auch mal zurück in die Reihe. Was man in Berlin als U-Bahnfahrer lernt: Zurücktreten.
Ja, Du kannst SPIEGEL lesen, in der U-Bahn. Das macht heute kaum noch einer. Dafür fahren immer mehr U-Bahn. Autos sind eine sterbende Kategorie in den Städten, zu großer Einsatz. Die meisten sind auf einem Touchscreen am fingern, wischen, snipen, daddeln: Kuddel duddel daddel du. Ich kann mich auch kaum noch auf den SPIEGEL konzentrieren, versucht habe ich es ja, als Abo auf meinem Tablet. Ich habe es nicht geschafft, zu lesen. Ich lese, was ich will und ich schreibe, was mir gerade einfällt. – Aber ob in Berlin oder in New York: Alle daddeln sie nur auf ihren Smartphones. Wen interessiert’s schon die Bohne?
Auf Mallorca residierte eine Schuhfirma namens CAMPER, nach deren Schuhe ich eine Zeit lang süchtig gewesen bin. Irgendwann fielen sie wieder aus meiner Aufmerksamkeitskette. Heute weiß ich nicht einmal mehr, ob es diese Firma noch gibt? Ich bin schlicht zu faul nachzusehen. Das Aufschreiben dieser Gedanken – sozusagen Post mortem – wird mich veranlassen, meine Faulheit seit Dekaden zu durchbrechen, um noch einmal nach dem Verbleib der Schuhfirma zu suchen (todo-Liste). CAMPER – das ist mir heute komplett egal. Ist das nicht hochmerkwürdig? Was ist von Wert? Was ist beständig? Gibt es eine dauerhafte Komponente echte Fanverehrung? Selbst BMW-Motorrad. Wenn ich heute in der Niederlassung Berlin am Kaiserdamnn bin, um dort Kleinigkeiten abzuklären und ich die ausgestellten, neuen Modelle bewundern will: Ich werde wohl nie wieder eine BMW kaufen. Der ganze Smag, den sich das Personal am Kaiserdamm leistet, ggü. eintreffenden Kunden: Arroganz, Überheblichkeit. Dazu ein andermal mehr…
Seit geraumer Zeit bin ich ernstlich auf der Suche nach Schuhen, mit denen man gut Schlagzeug spielen kann. Die ernstzunehmende Firma, auf die ich in diesem Zusammenhang gestoßen bin, fertig in der Schweiz Lederschuhe zum Schlagzeug spielen. Allein die Schuhe sind sündhaft teurer, als ich sie mir wirklich leisten will. Ich sage WILL, nicht kann. Gut 400,- bis 450,- € für ein paar Lederschuhe berappen, nur um damit Schlagzeug zu spielen, scheint mir nicht wertangemessen. Nichts gegen gute Schuhe zu einem hohen Preis: Allein ich bin es, der nicht dazu bereit ist, derartig viel für ein paar nicht einmal als Alltagsschuhe zu bezeichnende Galoschen auszugeben. Morgen nehmen sie dir wegen Diabetes ein Bein ab und was dann? Im Ernst: Zu teuer. Es halbiert den Anschaffungspreis.
Im Grunde genommen ist das Internet nun auch wieder nicht eine schiere Lust- und Suchbasis für nassfeuchte Anzieh- und Textilienträume und Resultatenejakulat zum sich wegträumen. Hier und da ein Schnäppchen, beim Aufräumen der unverkäuflichen Lagerrestbestände. Wie also zu einem Paar tolle Schlagzeugschuhe finden, die was hermachen?
Jetzt habe ich allerdings Antwort, nur dass meine Antwort im Ergebnis leider doch ist: Ich werde mit diesen Schuhen wohl nie Schlagzeug spielen. Aber ich habe mich verliebt.
Meine ganze Aufmerksamkeit fiel auf eine Berliner Schuhmarke namens Zeha Berlin. Die Firma hat ein paar Ladengeschäfte. Die Schuhe basieren auf alten DDR-Sportschuhen, in diesem Zusammenhang wird ein Carl Häßner genannt und die Auswahl an ledernen, vielfarbigen Sneakersvarianten ist ziemlich überzeugend. Angefertigt werden die in Berlin entwickelten Schuhmodelle der Firma in Portugal. Aber ich habe mich verliebt.
Rot – das ist die Farbe der Liebe. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Aber ich habe mich verliebt.
